»Köln 300 °C« – Der neue Krimi von Marc Hasenkopf
von Francesco Aneto
Well, the cop made the showdown
He was sure he was right
He had all of the lowdown
From the bank heist last night
His best friend was the robber
And his wife was a thief
All the children were killers
They couldn't get no relief
(Neil Young, Crime in the City, aus Freedom 1989)
Der schier unaufhaltsame und grausam voranschreitende Klimawandel hat uns auch 2020 wieder einen Rekordsommer beschert. Sonne zuhauf und Hitze-Temperaturen um die 40°C in der Spitze. Machte mehr Angst als Freude, zumal der erlösende Regen immer seltener fiel und die Bäume das Leid vorwegnahmen, was uns noch bevorsteht. Dass es mal die 300 °C sind, werden aber selbst die Schüler*innen nicht mehr erleben, die mit ihrer »Friday for Future-Bewegung« den Alten und Mächtigen zum Glück nach einer Corona-Pause Ende September wieder mächtig Dampf unterm Hintern machen.
Der Titel von Marco Hasenkopfs in der traditionsreichen Reihe »Köln Krimi« jüngst erschienenem 368-Seiten starke Roman »Köln 300 °C« muss sich daher auf etwas anderes beziehen. Es geht zunächst einmal öfter hitzig zur Sache in diesem flott geschriebenen und actionreichen Polit-Thriller. Eine Serie von Brandanschlägen hält die Domstadt in Atem. Die beiden Protagonisten, Judith Mertin und Markus Kaiser vom in Kalk beheimateten Kriminalkommissariat, haben alle Hände voll zu tun:
Erster Tatort ist ein ausgebrannter VW-Phaeton unter der Auffahrt zur Zoobrücke im Niemandsland zwischen Mülheim und Kalk. Neben einer verkohlten Leiche stoßen sie im Auto auf das seltene Metall Tantal, das in pulverisierter Form hochexplosiv und wichtigster Bestandteil der Telekommunikations- und Medizintechnik ist. Bei 300 °C wirkt es hochexplosiv. Auf dem Weltmarkt ist der verrufene Stoff Milliarden wert, und Industriekonzerne gehen für ihn über Leichen. Die Spuren führen immer wieder in den Kongo, wo das »Blutmetall« Colton als Grundstoff für Tantal unter oft menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut wird.
Die »Kongo-Connection« erklärt auch das beherzte, teils überaktive Engagement der Kommissarin Mertin, die dort ihre ersten Lebensjahre mit ihrer kongolesischen Mutter und dem deutschen Vater verbracht hat. Bei der Aufklärung des Falles wird sie daher auch mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. An ihre Herkunft knüpft auch das rassistische Verhalten einiger Kollegen an, die oft mit schlechten Witzen auf ihre Hautfarbe anspielen. Hasenkopf schreibt auch hier auf der Höhe der Zeit, in der immer mehr Skandalöses bekannt über den weit verbreiteten Rassismus in der deutschen Polizei wird, die doch Rechtsstaat und Demokratie schützen und nicht untergraben soll.
Es bleibt nicht bei dem Toten im Phaeton. Hasenkopf verrührt die Flüchtlingsfrage, korrupte Militärs und die ausbeuterische Herrschaft des global agierenden Industriekapitals zu einem immer spannenden Krimi-Cocktail. Seine am amerikanischen Hard-Boiled-Krimi eines Don Winslow oder James Lee Burke geschulter Dialog lastiger Stil bewahrt ihn davor, die vielfältigen Realitäten klischeehaft darzustellen.
Dies gilt auch für die beiden Kommissare. Bei aller körperlichen Härte von Mertin (ist Kampfsportlerin) und fast asozialer Übellaunigkeit von Kaiser, der mit seinen inneren Dämonen und einem handfesten Burn-Out ringt, geraten deren Darstellungen nicht schablonenhaft. Wie in jedem guten Krimi erhalten wir intime Einblicke in das private Leben der beiden Ermittler. Hasenkopf glorifiziert beide keineswegs, lässt aber keinen Zweifel, dass sie dennoch zu den »Good cops« gehören, die ihre auch körperlich ausgetragene persönliche Fehde im Laufe der Ermittlungen überwinden werden.
Gekonnt und schlüssig bindet Hasenkopf am Ende seines durchweg kurzweiligen politischen, zum Nachdenken anregenden Krimis alle losen Ende zusammen. Die Geschichte endet, wie nicht anders zu erwarten, mit einer Explosion. Beim wünschenswerten Fortsetzungsband – will man doch wissen, was das ungleiche Ermittlerduo weiter gemeinsam an »kapitalen« Verbrechen aufdeckt – könnte das bunte soziale Milieu der Stadtlandschaften von Kalk und Mülheim eindringlicher beschrieben und die Motive sowie Gefühle der Protagonisten stärker ausgeleuchtet werden. Auch im nächsten Band hoffen wir, dass Hasenkopf den Finger in unsere brennenden Wunden legt; vielleicht sogar in die aktuell größte, die Klimakrise, die uns alle schmerzt und an der wir alle mitschuldig sind.
Marco Hasenkopf, geboren 1973 in Hamm/Westfalen, studierte Archäologie und war viele Jahre als Drehbuchautor für Theater und Filmproduktionen und nicht zuletzt auch als freier Autor der »Mülheimia« aktiv. Er ist Preisträger des Kurt-Hackenberg-Preises für politisches Theater und lebt heute als freischaffender Schriftsteller und Theaterproduzent mit seiner Familie in Köln.
Zu beziehen über den emons Verlag, Köln:
Kommentar schreiben