Das Bürgerhaus leistet wichtige Arbeit in Mülheim-Nord
von Gisela Emons
Fotos: Babette Herrmann, www.babetteherrmann.de
Ihre Wurzeln reichen tief in die Vergangenheit sozialpolitischer Geschichte. Aus Ideen der 68er-Bewegung, insbesondere dessen sozialrevolutionärem Zweig, ist ein vielschichtiges Geflecht an sozialen und kulturellen Angeboten gewachsen.
Seit 1974 führt die Mülheimer Selbsthilfe Teestube e. V. als Träger des 1990 gegründeten Bürgerhauses MüTZe sozial ausgegrenzte, benachteiligte und behinderte Menschen in Formen gemeinschaftlicher Selbsthilfe und mit gemeinwohlorientierter Stadtteilarbeit zusammen. Gemeinsam stellt man sich seitdem täglich dem Kampf um Ressourcen, Freiräume, Teilhabe, Rechte und Menschenwürde.
Gelebte gesellschaftliche Teilhabe
Soziale und berufliche Teilhabe ist in der MüTZe kein fernes Ideal, sondern nahe gelebte Praxis in einem durchlässigen und offenen System; beispielsweise werden Leitungspositionen mit ehemaligen KlientInnen besetzt, wenn sie sich die fehlendenKompetenzen und Qualifikationen aneignen. Ein System, das Selbsthilfe- und Selbstveränderungspotentiale stärkt, um Menschen in ihrem eigenen Interesse zu verändern.
Ziel ist die Emanzipation des Menschen und die Veränderung sozialer Räume und Verhältnisse, damit Soziale Arbeit langfristig immer weniger benötigt wird. Dem Empowerment, welches Menschen bei der Aneignung von Ressourcen, Kompetenzen und Teihabemöglichkeiten ermächtigt und ermutigt, kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu.
MüTZe als ganzheitlicher „Multifunktionär“
Die MüTZe erfüllt in einem der ärmsten Stadtteile Kölns verschiedene Funktionen. Sie ist Bürgerhaus, interkulturelles Zentrum, soziokulturelles Zentrum und Arbeitslosenzentrum in einem, fungiert zudem als Beschäftigungsträger sowie sozial-gewerbliches Zentrum mit Zweckbetrieben und lokalökonomischen Aufgaben, sowohl auf der Versorgungs- als auch auf der Beschäftigungsebene.
Die MüTZe kombiniert verschiedene Angebote und Leistungen im Rahmen eines ganzheitlich-inklusiven Förderkonzeptes. In einer Förderkette werden schrittweise soziale und berufliche Teilhabemöglichkeiten erschlossen und gesteigert. Die einzelnen Angebote stellen sich in der Gesamtheit wie folgt dar:
Niedrigschwellige Versorgungsangebote und Dienste (Komm-Struktur), z. B. Nothilfe, wöchentliche Lebensmittelausgabe, postalische Erreichbarkeitsadressen für Wohnungslose, erleichtern verschiedene Zugänge. Beratungs- und
Betreuungsangeboten (für Erwerbs- und Wohnungslose, Frauen/Migrantinnen, etwa bei häuslicher Gewalt, Flüchtlinge u. a.), sonstige begleitende Hilfen und Vermittlungsmaßnahmen im Rahmen des
Hilfenetzes im Stadtteil und Köln weit, komplettieren die Angebotspalette. Kultur ist Medium und Erlebnisort sozialer Teilhabe und Integration.
Empowerment und Integration wird daher durch Begegnungs-, Selbsthilfe-, sozio- und interkulturelle Veranstaltungs- und Gruppenangebote gefördert, ergänzt durch Informationsangebote sowie
niedrigschwellige Mitmachangebote (z. B. bei der Lebensmittelausgabe oder der interkulturellen Frauengruppe). Schließlich wird das ganzheitliche Förderkonzept abgerundet durch Hilfen bei der
Nutzung des kostenlosen Internet-Cafés, Bewerbungshilfen, niedrigschwelligen Beschäftigungsangeboten, Begleitung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und Bereitstellung hausinterner
sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze (ca. 30 % für Menschen mit Schwerbehinderung).
Solidarität als Grundelement für den Erfolg
Wo liegt das Geheimnis des langjährigen unstreitigen Erfolges der MüTZe begründet? Ein Blick aufs Ganze lüftet es schnell: Erst durch das Zusammenwirken von Beratung, psychosozialer Betreuung, neuer sozialer Einbettung und individueller Potenzialentfaltung durch diverse Angebote entsteht die besondere Mixtur. Das ganzheitliche Beratungs-, Angebots- und Hilfesystem der MüTZe ist genau dosiert.
Wichtige Substanz für diese spezielle Mischung ist auch die gelebte Solidarität mit sozial benachteiligten Menschen, in deren Interesse der Verein „Mülheimer Selbsthilfe Teestube e. V.“ sich seit über 40 Jahren engagiert und verschiedene Zweckbetriebe und das Bürgerhaus MüTZe betreibt. Angereichert nicht nur durch Unterstützer wie die Stadt Köln, das Kölner Jobcenter und
andere öffentliche Zuschussgeber, sondern alle diejenigen Menschen, die im Bürgerhaus Räume mieten, Hochzeiten und Geburtstage feiern (inkl. Catering), Seminare und Tagungen durchführen, zum Mittagessen oder Brunch das Café aufsuchen oder das Möbellager mit einer Wohnungsauflösung beauftragen oder dort Second-Hand-Möbel einkaufen. Solidarität wird auch künftig das Grundelement sein, um die wichtige soziale und kulturelle Arbeit der MüTZe im Stadtteil Mülheim sicherzustellen.
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